Gott mag Platz gemacht haben, aber die Zeichen gibt es noch immer. In der Moderne, und besonders seit einiger Zeit, ist es möglich, Zeichen als unpersönliche Signale, als Äußerungen eines Systems zu verstehen.
Es muss kein Wille, keine Absicht, keine Person hinter dem Sinn stecken, den Dinge haben sollen oder der ihnen zugeschrieben wird. Es kann die reine Funktion sein, ein Programm oder „Apparat“ (Flusser). Dahinter steckt nicht nur das Sinnbild der neuesten Technologie, sondern auch die ältere Maschine, der Automat und sogar ein noch älteres, systemisches Verständnis des menschlichen Körpers, des Organismus. Die Organisiertheit der Welt oder des eigenen Lebens, der Lebensverhältnisse folgt einer Ordnung aus sich selbst heraus. Die Maschine läuft, funktioniert und die Frage, wer sie erbaut hat ist nicht in erster Linie relevant. Sie kann sogar suspendiert werden, indem Konzepte wie Universum, Kosmos usw. eine unpersönlich waltende Macht und Logik unterstellen, die zwar durchaus reagiert, aber das tun chemische Elemente oder Apparate auch. Popularisierte Konzepte oder Formeln wie Karma passen sich gut ein. Der Mensch ist in diesem Zusammenhang auch nur ein Rädchen im Getriebe, eine Variable in der Gleichung, eine Zelle im Organismus. Er ist nicht mehr das Schäfchen, das der Herr nachts suchen geht. Ein Konzept wie Sünde ist in den Formen der neuen Religiosität schwer denkbar. Denn ein Ausbruch aus solch einem System ist nicht möglich. Verhalten hat Folgen für das Individuum, quasi automatisch - eine Art do-ut-des. Schlechtes Verhalten wird unangenehme Folgen haben, direkt, oder vielleicht auch erst im nächsten Leben. Aber kein persönliches Verhältnis ist enttäuscht worden, keine Abwendung zu einer Vaterfigur zu konstatieren. Immerhin sei angemerkt, dass das Christentum in dieser Frage mit seiner betonten Innerlichkeit und einem persönlichen, orthodoxen Verhältnis zu Gott eine Sonderstellung unter den Religionen einnimmt.
Kommentar schreiben